Verfassungsbeschwerde

Verfassungsbeschwerde

Die Verfassungsbeschwerde ermöglicht insbesondere den Bürgerinnen und Bürgern, ihre grundrechtlich garantierten Freiheiten gegenüber dem Staat durchzusetzen. Es handelt sich jedoch nicht um eine Erweiterung des fachgerichtlichen Instanzenzuges, sondern um einen außerordentlichen Rechtsbehelf, in dem nur die Verletzung spezifischen Verfassungsrechts geprüft wird. Einzelheiten sind in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a und 4b GG und §§ 90 ff. Bundesverfassungsgerichtsgesetz geregelt.

Wichtige Informationen über die Verfassungsbeschwerde, insbesondere was bei ihrer Erhebung unbedingt zu beachten ist, haben wir in einem Merkblatt zusammengefasst.

Verfassungsbeschwerden sind am Aktenzeichen „BvR“ zu erkennen. Es handelt sich bei Weitem um die häufigste Verfahrensart beim Bundesverfassungsgericht. Zu Beginn seiner Tätigkeit im Jahr 1951 waren es noch weniger als 500 Beschwerden im Jahr. Bis 1980 steigerte sich diese Zahl auf 3.107 Verfahren, um im Jahr 2013 mit 6.477 Verfahren ihren bisherigen Höchststand zu erreichen.

Individualverfassungsbeschwerde

Die Verfassungsbeschwerde kann von jeder natürlichen oder juristischen Person mit der Behauptung erhoben werden, durch die deutsche öffentliche Gewalt in ihren Grundrechten (vgl. Art. 1 bis Art. 19 GG) oder bestimmten grundrechtsgleichen Rechten (Art. 20 Abs. 4Art. 33Art. 38Art. 101Art. 103Art. 104 GG) verletzt zu sein.

Beispiel

Dem Betreiber eines Taxiunternehmens wird von der Kreisverwaltung seine Konzession entzogen. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren klagt er zunächst vor den Verwaltungsgerichten und erhebt schließlich Verfassungsbeschwerde. Das Bundesverfassungsgericht prüft den Fall im Wesentlichen darauf, ob die maßgeblichen Rechtsvorschriften im Personenbeförderungsgesetz und ihre Anwendung mit der Berufsfreiheit des Taxiunternehmers (Art. 12 Abs. 1 GG) vereinbar sind.

Voraussetzungen

Angegriffen werden können deutsche Hoheitsakte aller drei staatlichen Gewalten, d.h. Rechtsprechung, Verwaltung und Gesetzgebung (zum Sonderfall der Rechtssatzverfassungsbeschwerde vgl. hier). Entscheidend ist, ob die angegriffenen Hoheitsakte aufgrund verfassungsmäßiger Gesetze ergangen und ob die Grundrechte bei Anwendung dieser Gesetze beachtet worden sind. Fehler bei der Rechtsanwendung, die keinen spezifischen Bezug zu den Grundrechten haben, führen daher nicht zum Erfolg der Verfassungsbeschwerde.

Die beschwerdeführende Person muss selbst, gegenwärtig und unmittelbar in ihren Rechten betroffen sein.

Ein Anwaltszwang besteht nicht. Die beschwerdeführende Person kann sich rechtlich vertreten lassen; im Falle einer mündlichen Verhandlung muss sie sich vertreten lassen.

Die Verfassungsbeschwerde unterliegt strengen Anforderungen an die Begründung. Sie muss schriftlich eingereicht werden. Die Einreichung per Telefax ist zulässig, nicht aber per E-Mail).

Gegen Entscheidungen der Gerichte und Behörden ist die Verfassungsbeschwerde nur binnen eines Monats zulässig. Innerhalb dieser Frist muss auch die vollständige Begründung einschließlich aller erforderlichen Unterlagen eingereicht werden.

Die Verfassungsbeschwerde ist grundsätzlich erst dann zulässig, wenn zuvor der fachgerichtliche Rechtsweg vollständig durchschritten wurde (sog. Rechtswegerschöpfung). Darüber hinaus müssen alle zur Verfügung stehenden weiteren Möglichkeiten ergriffen worden sein, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erreichen oder zu verhindern (sog. Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde). Aus diesen Grundsätzen folgt insbesondere, dass im Regelfall alle verfügbaren fachgerichtlichen Rechtsbehelfe (z.B. Berufung, Revision, sofortige Beschwerde, Rechtsbeschwerde, Nichtzulassungsbeschwerde) vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde erfolglos genutzt worden sein müssen. Wird die Nichtgewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) gerügt, kann hierzu auch die erfolglose Erhebung einer Anhörungsrüge bei dem zuständigen Fachgericht gehören. Die Einzelheiten sind dem Merkblatt zu entnehmen.

Das Verfahren ist kostenfrei. Die Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Anwaltskosten kommt nur dann in Betracht, wenn die beschwerdeführende Person gehindert ist, ihre Rechte selbst ohne anwaltliche Hilfe angemessen wahrzunehmen, es ihr unmöglich sein wird, die Kosten der Prozessführung bei Beauftragung eines Anwalts aufzubringen und die Verfassungsbeschwerde Aussicht auf Erfolg hat.

Verfahren und Entscheidung

Eine Verfassungsbeschwerde bedarf der Annahme zur Entscheidung. Dies bedeutet allerdings kein freies Ermessen. Die Verfassungsbeschwerde muss vom Bundesverfassungsgericht angenommen werden, wenn sie grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung hat oder wenn dies zur Durchsetzung eigener verfassungsmäßiger Rechte des Beschwerdeführers oder der Beschwerdeführerin angezeigt ist. Daher geht auch jeder Nichtannahmeentscheidung eine intensive Rechtsprüfung voraus.

Das Bundesverfassungsgericht kann die Verfassungswidrigkeit eines Aktes der öffentlichen Gewalt feststellen, eine verfassungswidrige Entscheidung aufheben und die Sache an ein zuständiges Gericht zurückverweisen sowie ein Gesetz für nichtig erklären. Etwaige Folgeentscheidungen sind den Fachgerichten vorbehalten; das Bundesverfassungsgericht spricht beispielsweise keinen Schadensersatz zu und trifft auch keine Maßnahmen der Strafverfolgung.

Sonderfall Rechtssatzverfassungsbeschwerde

Mit der sogenannten Rechtssatzverfassungsbeschwerde können ausnahmsweise auch Gesetze, Rechtsverordnungen oder Satzungen unmittelbar angegriffen werden. In der Regel bedürfen Rechtsvorschriften jedoch des Vollzuges durch eine behördliche oder gerichtliche Entscheidung, gegen die die betroffene Person zunächst den Rechtsweg vor den zuständigen Gerichten erschöpfen muss. In aller Regel ist die Verfassungsbeschwerde in solchen Fällen daher erst nach der Entscheidung des letztinstanzlichen Gerichts zulässig.

Die Rechtsnorm muss die beschwerdeführende Person selbst, gegenwärtig und unmittelbar beschweren. Eine eigene und gegenwärtige Betroffenheit liegt regelmäßig vor, wenn die beschwerdeführende Person durch die Rechtsnorm mit einiger Wahrscheinlichkeit in ihren Grundrechten berührt wird. Unmittelbar ist die Rechtsbeeinträchtigung, wenn kein Vollzugsakt notwendig ist.

In Ausnahmefällen kann sich die Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen eine Rechtsnorm richten, die noch vollzogen werden muss, z.B. wenn ein Rechtsweg nicht existiert oder wenn das Durchschreiten des Rechtsweges unzumutbar wäre. Im Straf- oder Ordnungswidrigkeitenrecht ist dies regelmäßig der Fall, denn es kann von keiner Person verlangt werden, zunächst eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit zu begehen, um die Verfassungswidrigkeit der Norm im fachgerichtlichen Verfahren geltend machen zu können.

Sonderfall Kommunalverfassungsbeschwerde

Das Bundesverfassungsgericht entscheidet auch über Verfassungsbeschwerden von Gemeinden und Gemeindeverbänden wegen Verletzung des Rechts auf Selbstverwaltung durch ein Gesetz.

Die Kommunalverfassungsbeschwerde ist eine Besonderheit, weil Gemeinden und Gemeindeverbände selbst Träger öffentlicher Gewalt und daher grundsätzlich an die Grundrechte gebunden, nicht aber grundrechtsberechtigt sind. Allerdings haben sie ein Recht auf Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 GG) und stehen dem Staat insoweit in ähnlicher Lage gegenüber wie der grundrechtsberechtigte Bürger. Diesem Rechtsschutzbedürfnis trägt die Kommunalverfassungsbeschwerde Rechnung.

Beispiel: Eigenständige Gemeinden wehren sich gegen eine Rechtsverordnung des Landes, mit der sie zwangsweise Verwaltungsgemeinschaften zugeordnet werden.

Für die Kommunalverfassungsbeschwerde gelten jedoch einige Besonderheiten (vgl. § 91Bundesverfassungsgerichtsgesetz): Gemeinden und Gemeindeverbände können nicht die Verletzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten rügen, sondern allein eine Verletzung ihres Selbstverwaltungsrechts (Art. 28 Abs. 2 GG) durch eine Rechtsnorm. Die Kommunalverfassungsbeschwerde ist ausgeschlossen, soweit eine ähnliche Beschwerde beim Verfassungsgericht des jeweiligen Landes erhoben werden kann. Damit kommt dem Bundesverfassungsgericht lediglich eine „Reservezuständigkeit“ für den Schutz der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung zu.

Quelle Verfassungsbeschwerde

 

 

Merkblatt über die Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht

I. Allgemeines

Jedermann kann Verfassungsbeschwerde mit der Behauptung erheben, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder in einem seiner in Art. 20 Abs. 4, 33, 38, 101, 103, 104 GG enthaltenen Rechte verletzt zu sein (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG).

Das Bundesverfassungsgericht kann die Verfassungswidrigkeit eines Aktes der öffentlichen Gewalt feststellen, ein Gesetz für nichtig erklären oder eine verfassungswidrige Entscheidung aufheben und die Sache an ein zuständiges Gericht zurückverweisen.

Andere Entscheidungen kann das Bundesverfassungsgericht auf eine Verfassungsbeschwerde hin nicht treffen. Es kann z.B. weder Schadensersatz zuerkennen noch Maßnahmen der Strafverfolgung einleiten. Grundsätzlich gibt es auch keinen mit der Verfassungsbeschwerde verfolgbaren Anspruch auf ein bestimmtes Handeln des Gesetzgebers.

Verfassungsbeschwerden gegen gerichtliche Entscheidungen führen nicht zur Überprüfung im vollen Umfang, sondern nur zur Nachprüfung auf verfassungsrechtliche Verstöße. Selbst wenn die Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und Würdigung des Sachverhalts, die Auslegung eines Gesetzes oder seine Anwendung auf den einzelnen Fall Fehler aufweisen sollten, bedeutet dies für sich allein nicht schon eine Grundrechtsverletzung.

II. Form und Inhalt der Verfassungsbeschwerde

Die Verfassungsbeschwerde ist schriftlich in deutscher Sprache einzureichen und zu begründen (§ 23 Abs. 1, § 92 BVerfGG). Die Begründung muss mindestens folgende Angaben enthalten:

1. Der Hoheitsakt (gerichtliche Entscheidung, Verwaltungsakt, Gesetz), gegen den sich die Verfassungsbeschwerde richtet, muss genau bezeichnet werden (bei gerichtlichen Entscheidungen und Verwaltungsakten sollen Datum, Aktenzeichen und Tag der Verkündung bzw. des Zugangs angegeben werden).

2. Das Grundrecht oder grundrechtsgleiche Recht, das durch den angegriffenen Hoheitsakt verletzt sein soll, muss benannt oder jedenfalls seinem Rechtsinhalt nach bezeichnet werden.

3. Es ist darzulegen, worin im Einzelnen die Grundrechtsverletzung erblickt wird. Hierzu sind auch die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Gerichtsentscheidungen (einschließlich in Bezug genommener Schreiben), Bescheide usw. vorzulegen. Zumindest muss ihr Inhalt einschließlich der Begründung aus der Beschwerdeschrift ersichtlich sein. Ein Verweis auf eigene Schriftsätze aus anderen Verfahren oder weitere Unterlagen genügt nicht.

4. Neben den angegriffenen Entscheidungen müssen auch sonstige Unterlagen aus dem Ausgangsverfahren (z.B. einschlägige Schriftsätze, Anhörungsprotokolle, Gutachten) vorgelegt (wie unter 3.) oder inhaltlich wiedergegeben werden, ohne deren Kenntnis nicht beurteilt werden kann, ob die in der Verfassungsbeschwerde erhobenen Rügen berechtigt sind.

5. Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen behördliche und/oder gerichtliche Entscheidungen, so muss aus der Begründung auch ersichtlich sein, dass alle Rechtsbehelfe, Anträge und Rügen im Verfahren vor den Fachgerichten genutzt worden sind, um die Abwehr des behaupteten Grundrechtsverstoßes zu erreichen. Dazu müssen die im fachgerichtlichen Verfahren gestellten Anträge und sonstigen Schriftsätze beigefügt (wie unter 3.) oder inhaltlich wiedergegeben werden.

6. Beim Bundesverfassungsgericht eingereichte Schriftsätze und sonstige Unterlagen werden Bestandteil der Gerichtsakten und daher grundsätzlich nicht zurückgesandt. Schicken Sie daher bitte nur Schriftsätze und Kopien, die bei den Akten verbleiben können.

III. Weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen

1. Beschwerdefrist Die Verfassungsbeschwerde gegen Entscheidungen der Gerichte und Behörden ist nur innerhalb eines Monats zulässig (§ 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Auch die vollständige Begründung muss innerhalb dieser Frist eingereicht werden (§ 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Werden Informationen, die zu den Mindestanforderungen an die Begründung der Verfassungsbeschwerde (s. oben II.) gehören, erst nach Fristablauf unterbreitet, so bleibt die Verfassungsbeschwerde unzulässig. Eine Verlängerung der Frist durch das Gericht ist ausgeschlossen.

Wenn die Frist ohne Verschulden nicht eingehalten werden konnte, so kann binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und die Verfassungsbeschwerde nachgeholt werden. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind glaubhaft zu machen. Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden eines Beschwerdeführers gleich (§ 93 Abs. 2 BVerfGG).

2. Erschöpfung des Rechtswegs

a) Allgemeines Die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts ist grundsätzlich nur und erst dann zulässig, wenn zuvor der Rechtsweg erschöpft und darüber hinaus alle zur Verfügung stehenden weiteren Möglichkeiten ergriffen worden sind, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erreichen oder diese zu verhindern. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, wenn und soweit eine anderweitige Möglichkeit besteht oder bestand, die Grundrechtsverletzung zu beseitigen oder ohne Inanspruchnahme des Bundesverfassungsgerichts im praktischen Ergebnis dasselbe zu erreichen. Vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde müssen daher alle verfügbaren Rechtsbehelfe (z.B. Berufung, Revision, Beschwerde, Nichtzulassungsbeschwerde) genutzt worden sein. Die Erhebung einer Verfassungsbeschwerde zum Landesverfassungsgericht wird jedoch nicht vorausgesetzt. Zu den Möglichkeiten, den geltend gemachten Grundrechtsverstoß schon im Verfahren vor den Fachgerichten abzuwehren, gehören insbesondere auch die ausreichende Darstellung des relevanten Sachverhalts, geeignete Beweisanträge, Wiedereinsetzungsanträge bei unverschuldeter Fristversäumung.

b) Besonderheiten bei Gehörsrügen

Wird die eigenständige und neue Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) durch eine letztinstanzliche gerichtliche Entscheidung gerügt, so ist die Verfassungsbeschwerde nur zulässig, wenn zuvor versucht wurde, durch Einlegung einer Anhörungsrüge (insbesondere § 321a ZPO, § 152a VwGO, § 178a SGG, § 78a ArbGG, § 44 FamFG, § 133a FGO, §§ 33a, 356a StPO) bei dem zuständigen Fachgericht Abhilfe zu erreichen. Die unterlassene Einlegung einer nicht offensichtlich aussichtslosen Anhörungsrüge kann zur Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde nicht nur in Bezug auf die behauptete Gehörsverletzung, sondern auch hinsichtlich sonstiger Rügen führen, soweit diesen durch die Anhörungsrüge hätte abgeholfen werden können. Hingegen ist die Einlegung einer offensichtlich aussichtslosen

Anhörungsrüge für den Beginn der Frist zur Erhebung der Verfassungsbeschwerde nicht maßgeblich. Bei Zweifeln über die Erforderlichkeit und die Erfolgsaussichten einer Anhörungsrüge steht es einem Beschwerdeführer offen, zur Fristwahrung zeitgleich mit der Anhörungsrüge beim Fachgericht Verfassungsbeschwerde zu erheben.

c) Rechtssatzverfassungsbeschwerde

Gesetze, Rechtsverordnungen oder Satzungen können mit der Verfassungsbeschwerde nur ausnahmsweise unmittelbar angegriffen werden, und zwar dann, wenn sie die Betroffenen selbst, gegenwärtig und unmittelbar beschweren. Die Verfassungsbeschwerde muss in diesem Fall binnen eines Jahres seit dem Inkrafttreten der Rechtsvorschrift erhoben werden (§ 93 Abs. 3 BVerfGG).

In der Regel bedürfen Rechtsvorschriften jedoch des Vollzuges, d.h. der Anwendung im einzelnen Fall durch eine behördliche oder gerichtliche Entscheidung, gegen die Betroffene den Rechtsweg vor den zuständigen Gerichten erschöpfen müssen. In aller Regel ist die Verfassungsbeschwerde daher in solchen Fällen erst nach der Entscheidung des letztinstanzlichen Gerichts zulässig (§ 90 Abs. 2 BVerfGG).

IV. Vertretung

Die Verfassungsbeschwerde kann von den Betroffenen selbst erhoben werden. Die Beteiligten können sich in jeder Lage des Verfahrens durch einen Rechtsanwalt oder durch einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen (§ 22 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Eine andere Person lässt das Bundesverfassungsgericht als Beistand nur dann zu, wenn es dies ausnahmsweise für sachdienlich hält (§ 22 Abs. 1 Satz 4 BVerfGG). Die Vollmacht ist schriftlich zu erteilen und muss sich ausdrücklich auf das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht beziehen (§ 22 Abs. 2 BVerfGG) und die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Hoheitsakte konkret bezeichnen.

V. Annahmeverfahren

Die Verfassungsbeschwerde bedarf der Annahme zur Entscheidung (§ 93a Abs. 1 BVerfGG). Sie ist zur Entscheidung anzunehmen, soweit ihr grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt. Eine Verfassungsbeschwerde hat regelmäßig keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung, wenn die von ihr aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits geklärt sind. Sie ist ferner anzunehmen, wenn es zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt ist; dies kann auch der Fall sein, wenn dem Beschwerdeführer durch die Versagung der Entscheidung zur Sache ein besonders schwerer Nachteil entsteht (§ 93a Abs. 2 BVerfGG).

Die Ablehnung der Annahme der Verfassungsbeschwerde kann durch einstimmigen Beschluss der aus drei Richterinnen und Richtern bestehenden Kammer erfolgen. Der Beschluss bedarf keiner Begründung und ist nicht anfechtbar (§ 93d Abs. 1 BVerfGG).

VI. Gerichtskosten

Das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht ist kostenfrei. Das Bundesverfassungsgericht kann jedoch einem Beschwerdeführer oder einem Bevollmächtigten eine Gebühr bis zu 2.600 Euro auferlegen, wenn die Einlegung der Verfassungsbeschwerde einen Missbrauch darstellt (§ 34 Abs. 2 BVerfGG).

VII. Rücknahme von Anträgen

Bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist grundsätzlich die Rücknahme einer Verfassungsbeschwerde insgesamt oder einzelner Rügen sowie die Rücknahme eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung jederzeit möglich. Eine Gebühr (vgl. VI) wird in diesem Fall nicht erhoben.

VIII. Allgemeines Register (AR)

Eingaben, mit denen der Absender weder einen bestimmten Antrag verfolgt noch ein Anliegen geltend macht, für das eine Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts besteht, werden im Allgemeinen Register erfasst und als Justizverwaltungsangelegenheit bearbeitet.

Im Allgemeinen Register können auch Verfassungsbeschwerden registriert werden, bei denen eine Annahme zur Entscheidung (§ 93a BVerfGG) nicht in Betracht kommt, weil sie offensichtlich unzulässig sind oder unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts offensichtlich keinen Erfolg haben können (s. oben V.).

Wird nach Unterrichtung über die Rechtslage eine richterliche Entscheidung verlangt, so wird die Verfassungsbeschwerde in das Verfahrensregister übertragen und weiterbehandelt (§ 64 Abs. 2 GOBVerfG).

GG = Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 15. November 2019 (BGBl I S. 1546) geändert worden ist.

BVerfGG = Bundesverfassungsgerichtsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 20. November 2019 (BGBl I S. 1724) geändert worden ist.

GOBVerfG = Geschäftsordnung des Bundesverfassungsgerichts vom 19. November 2014 (BGBl 2015 I S. 286).

(Stand: Dezember 2019)

 

Merkblatt Verfassungsbeschwerde

Loading

(Visited 21 times, 1 visits today)